Energiewende und Ökologie, Gerechtigkeit und moderne Gesellschaft – das sind die Themen, mit denen wir Grünen verbunden sind wie keine andere Partei. Und genau in diesen drei Themenbereichen möchten wir nun besonders markante Akzente setzen. Die intensiven und lebhaften Debatten auf unserem Bundesparteitag haben gezeigt, wie leidenschaftlich sich unsere Mitglieder einsetzen, wenn es darum geht, einen echten Neustart für die unter Schwarz-Gelb verschlafene Bundespolitik zu formulieren. Die rund 2.600 Änderungsanträge sind Zeichen lebendiger Demokratie. Auch das daraus gewonnene Kondensat dieser basisdemokratischen Teilhabe, die 58 Schlüsselprojekte, zeigt durchweg den Ansporn und die Verantwortung unserer Mitglieder, um die vielen Fehler der jetzigen Regierung zurück zu drehen.
Ganz besonders liegt mir dabei das Schlüsselprojekt 5 am Herzen: „Wirtschaftswachstum ist nicht das Maß der Dinge – neue Indikatoren für Wohlstand und Lebensqualität“, denn sein Anliegen zieht sich quer durch alle drei Themenbereiche: Wir brauchen einen neuen politischen Kompass, um das Gute Leben zu ermöglichen und eine moderne, gerechte und ökologische Gesellschaft zu schaffen. Die Grünen sind die einzige Partei, die die Ergebnisse der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ konsequent in ihr Wahlprogramm aufgenommen hat. Doch wir müssen noch einen Schritt weiter gehen und die Ergebnisse in den Fokus unserer Arbeit stellen – und deshalb als eines der neun Schlüsselprojekte verankern. Dafür brauche ich eure Unterstützung und bitte euch deshalb beim Mitgliederentscheid am Samstag um eure Joker-Stimme für das Schlüsselprojekt 5.
Viel zu lange galt starkes Wirtschaftswachstum als Mantra einer modernen Gesellschaft; viele Teilbereiche des täglichen Lebens wurden der Prämisse des Wettbewerbs untergeordnet. Ausgeblendet wurde dabei allerdings, dass ein verengter Blick auf das Wirtschaftswachstum zu enormen Verwerfungen führen kann und als vermeintliche Komplexitätsreduktion der Wirklichkeit nicht gerecht wird.
Beispielsweise wurde die Liberalisierung des Kapitalverkehrs und die Entbettung der Ökonomie beschleunigt, um höhere Wachstumsraten zu erreichen – wie sich gezeigt hat führt dies zu verheerenden Resultaten, wenn das fragile System durch Bankenkrisen und marode Staatsfinanzen ins Wanken gerät. Hinzu kommen die ökologischen Krisen, die sich in den letzten Jahrzehnten massiv verschärft haben und uns die Grenzen unseres Planeten vor Augen führen. Und letztlich stehen soziale Aspekte weiterhin zur Debatte: Zwar steht außer Frage, dass die wirtschaftliche Entwicklung der letzten beiden Jahrhunderte gesellschaftlichen Wohlstand und eine gesteigerte Lebensqualität in die Breite getragen hat, doch der Zusammenhang zwischen Wachstum und Wohlstandssteigerung löst sich zunehmend auf: Nicht nur in Deutschland geht die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinander, auch weltweit erleben wir soziale Krisen in Form von Hungersnot und Armut – das Wirtschaftswachstum kommt offensichtlich nicht bei allen Menschen gleichermaßen an.
Diese multiplen Krisen zeigen deutlich, dass eine Umorientierung wirtschaftlichen Handelns durch eine sozial-ökologische Transformation nötig ist – und zudem unausweichlich. Noch haben wir die Chance, diese Modernisierung selber zu steuern, also ein „change by design“ einzuleiten. Wenn wir diese Möglichkeit nicht nutzen, werden wir bald die Grenzen des Wachstums sowie die Grenzen des Planeten insgesamt erreichen – und somit zum „change by disaster“ gezwungen. Drei Jahre lang habe ich mich mit meinen grünen Mitstreitern in der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ dafür eingesetzt, den Weg in eine sozial-ökologische Transformation aufzuzeigen.
Diesen Weg können wir mit dem grünen Wohlstandskompass finden, den wir bei unserer Arbeit entwickelt haben: Wir müssen Wohlstand anders schaffen, wir müssen ein Gutes Leben für alle ermöglichen, wir müssen die Leitlinien der Politik ändern! Dem Bruttoinlandsprodukt müssen deshalb weitere Indikatoren zur Seite gestellt werden – und zwar der ökologische Fußabdruck, die Einkommensverteilung und die Lebenszufriedenheit. Eine moderne, gerechte und ökologische Gesellschaft kann nur schaffen, wer sich von ökonomischen Kennziffern löst, den Blick in die Breite wagt und eine aktive Diskussion zwischen Bevölkerung, Volksvertretern und Regierung sucht. An dieser Stelle setzt der Kompass als repräsentatives und kommunizierbares Indikatorensystem an, das die zentralen Gradmesser der Gesellschaft in die Debatte trägt.
Demokratische und transparente Strukturen wollen wir nicht nur innerhalb der Partei schaffen, sondern in das politische Tagesgeschäft tragen. Nur so können wir mehr Demokratie im Sinne von mehr Partizipationsmöglichkeiten erreichen und eine Debatte über die Zukunft unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens gestalten, die ihren Namen verdient. Dazu brauchen wir neue Indikatoren als Kompass aller politischen Arbeit. Auch die Grünen müssen in der Regierungsverantwortung ihre gesamte Politik an neue Leitlinien knüpfen. Der Wohlstandskompass als eines der neun Schlüsselprojekte ist dafür der Startschuss – und deshalb bitte ich euch um eure Joker-Stimme für das Schlüsselprojekt 5.
Weitere Informationen auf meiner Webseite unter gruenlink.de/jfv