Das Interesse am Zweifel - Bericht zum Grünen Fachgespräch vom 10. Juni zu den sog. Klimaskeptikern (inkl. der Präsentationen)

19. Juli 2011 | Bundespolitik | 
Am 10. Juni 2011 fand im Deutschen Bundestag das Fachgespräch zum Thema „Das Interesse am Zweifel - die Strategien der sogenannten Klimaskeptiker statt“. Ziel war es, die Hintergründe der Klimaskeptiker und ihre Finanzierungsquellen zu beleuchten.

Der kalte Winter in Europa und Amerika hat den Klimawandelleugnern neuen Schwung beschert. Deutsche Nachrichtenmagazine riefen schon das Ende der Bedrohung durch den Klimawandel aus und vergessen dabei, dass das Jahr 2010 global gesehen eines der wärmsten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen war und auch das Jahr 2011 gute Chancen hat ein Rekordjahr zu werden. Dass Wetter nicht Klima ist und sich kältere Winter durchaus mit den Vorhersagemodellen der Klimawissenschaftler in Einklang bringen lassen, geht in der Debatte unter. Doch Klimaskepsis ist kein neues Phänomen innerhalb der Debatte um den anthropogen verursachten Klimawandel. Neu ist allerdings in welchem Umfang Klimawandelskeptiker versuchen die Politik und die öffentliche Meinung zu beeinflussen. In den USA hat dies schon eine längere Tradition und hat mit den letzten Wahlen zum Repräsentantenhaus eine neue Dimension erreicht. Die “Argumente” der Klimawandelskeptiker fallen dort auf fruchtbaren Boden. Doch auch in Deutschland ist das Thema aus den Blogs und Internet-Foren im Deutschen Bundestag angelangt. Abgeordnete sympathisieren öffentlich mit den Thesen der Klimawandelleugner und laden Skeptiker zu Veranstaltungen ein. In unserem Fachgespräch am 10. Juni wollten wir die Hintergründe der derzeitigen Aktivitäten der Klimaskeptiker beleuchten. Was sind die Strategien der sog. Klimaskeptiker, wer steht dahinter und wer finanziert sie?”.

Zu Beginn des Fachgespräches stellte Hermann Ott klar, dass die beiden gebräuchlichen Begriffe Klimawandelskeptiker und Klimawandelleugner eigentlich falsch sind. „Leugner“ ist falsch, denn in den seltensten Fällen wird von den betreffenden Personen der Klimawandel an sich verneint. Vielmehr geht es fast immer um die Verneinung der Ursache, nämlich den Menschen.  Und „Skeptiker“ ist deshalb falsch, da Skepsis eigentlich ein viel zu positiver Begriff ist. Skepsis ist gut und wichtig, sie muss aber auch begründet werden.


Und hier können  die sog. Klimawandelskeptiker nicht liefern, wie Prof. Rahmstorf deutlich machte. Dieser stellte die aktuelle Datenlage der Klimawissenschaften vor und ging explizit auf die einzelnen Anwürfe der Skeptiker ein. Dabei wurde deutlich, daß es sich dabei meist um sog. „Rosinenpickerei“ handelt. Daten werden so ausgewählt, daß die gewünschte Aussage eintrifft. Im aktuellen Fall in Bezug auf ein angebliches Stagnieren der globalen Temperatur. Dabei werde von den Skeptikern durchaus trickreich vorgegangen, in dem man z.B. bei der Kurve der Temperaturentwicklung mit dem Jahr 1998 anfängt, einem sog.  El Nino Jahr mit einer globalen Temperaturspitze um dann im Durchschnitt der nächsten Jahre eine Stagnation der Temperatur festzustellen.


Prof. Rahmstorf machte deutlich, daß nur eine Langzeitbetrachtung zu einem robusten Trend führt und dieser Trend bei der globalen Durchschnittstemperatur gehe deutlich nach oben. Alle zur Verfügungen stehen Datenreihen zeigen denselben Landzeittrend einer Erwärmung des globalen Klimas.  Auch in Bezug auf das Verschwinden des Arktiseises werde von den Skeptikern Rosinenpickerei betrieben. Dazu werden wetterbedingten Schwankungen, also z.B. eine Zunahme der Eisbedeckung in kalten Wintern als Beweis gedeutet, daß das Artikeis nicht verschwindet. Aber auch hier zeigen die Langzeitbeobachtungen einen deutlichen Abwärtstrend bei der Eisbedeckung, ein Trend der sogar noch über den Prognosen des IPCC liege. Auch der Einwand, nicht der Mensch sei Schuld an der Erwärmung, sondern die Sonnenaktivität lasse sich anhand der wissenschaftlichen Datenlage nicht bestätigen.  Zwar sei die Sonnenaktivität tatsächlich ein Faktor für das Erdklima, allerdings  werde der Einfluss von anderen Faktoren überlagert und erkläre keinesfalls die globale Erwärmung der letzten Jahrzehnte. Zumal wir derzeit in einer Phase sehr geringer Sonnenaktivität seien und trotzdem Rekordwärmejahre erleben. 


Prof. Rahmstorf machte betonte, dass es tatsächlich in der Wissenschaft keinen Forscherstreit über die Ursachen des Klimawandel gebe.  Der Klimawandel sei überwiegend durch CO2 verursacht, der derzeitige Trend entspreche genau den Vorhersagen die bereits in den 70er Jahren gemacht wurden. Die Schwankungen der Sonnenaktivität seien um den Faktor 10 kleiner als der Effekt des CO2.


Eine weiter Behauptung der Klimawandelskeptiker ist, dass das C02 aus dem Ozean komme. Prof. Rahmstorf machte deutlich, daß sogar das Gegenteil der Fall sein. Das C02 gehe in die Ozeane über und führe dort zu Übersäuerung mit unabsehbaren Folgen für die Tier und Pflanzenwelt. Die Messungen belegen, daß die CO2-Konzentration in den Ozeanen deutlich zunehme.


Prof. Rahmstorf erwähnte auch die unsachlichen Angriffe, denen sich Klimaforscher zunehmend ausgesetzt sehen, z.B. indem sie mit Nazis verglichen werden oder ihnen gar physische Gewalt angedroht wird (zu beidem zeigte er Zitate).

Wer sind nun diese Leute, die den Konsens in der Wissenschaft bezüglich des anthropogenen Klimawandel so in Frage stellen? Dieter Plehwe benennt drei Finanzierungsquellen von Skeptikern. Zum einen gibt es die Skeptiker mit materiellen Interessen, z.B. aus dem Bereich der fossilen Industrien. Dazu zählt z.B. Fritz Vahrenholt von RWE, der es immer wieder schafft, seine Zweifel am Klimawandel in den Medien zu plazieren. Dazu gehören sicher auch eine ganze Reihe von Skeptikern in den USA, wo bekannt ist, dass die Koch-Gruppe diese finanziell unterstützt. 90 % aller klimaskeptischen Publikationen seien von den Koch Brothers finanziert. Dann gibt es Skeptiker aus einer Weltanschauung heraus. Meist kämen diese aus dem Bereich des marktradikalen Neoliberalismus die dann vor einer augustinischen Ökodiktatur warnen.  Und dann gäbe es noch Skeptiker aus dem akademischen Bereich, selten aus einem Fachgebiet das mit Klimawissenschaften zu tun hat. Wobei es bei allen drei Typen auch Überschneidungen gebe. In den USA benutze Exxon Mobile Strategien der Tabakindustrie um sich gegen Klimapolitik einzusetzen. Aus den USA sind auch konkrete Zahlen zu den Finanzierungen bekannt, in Europa ist eine solches Wissen aber nicht vorhanden, da es keine Offenlegung von solchen Zahlungen in Europa gebe. Dabei geht es den Konzernen immer um das Mehren von Zweifeln und nicht um wissenschaftliche Erkenntnisse. Oft geschehe dies durch sog. Think-Tanks wie deas Manhattan Institute oder das Stockholm-Institut. In Deutschland gebe es keine klaren Hinweise über die Finanzierungsquellen.. Lobby-Control fordere deshalb eine Offenlegung der Finanzierung von Instituten und Think-Tanks. Transparenz sei enorm wichtig, auch wenn dadurch nicht notwendigerweise die Kräfteverhältnisse beeinflusst werden.

Auch Tim Nuthall identifiziert drei Gruppen von Skeptikern. Die ideologischen Skeptiker, die unzufriedenen Skeptiker, und die bezahlten Skeptiker. Die ideologischen Skeptiker seien für Diskussionen nicht zugänglich, Diese sähen die Umweltbewegung meist als Kommunisten, als Melonen (grün auf der Aussenseite, rot innen drin).

Die Unzufriedenen seien die kleinste Gruppe. Meist handelt es sich um Wissenschaftler die sich ausgeschlossen fühlen.

Die Bezahlten sähen in den Ergebnissen der Klimawissenschaften eine Bedrohung ihres „Way of life“, dazu gehören vor allem Lobbyisten auf der Öl- , Stahl-, Zement- und Chemieindustrie. Deren Motto laute „think globally, sabotage locally“.

Der überwiegende Teil der Klimaskepsisbewegung komme aus dem angelsächsichen Raum. In Brüssel gebe es dagegen nur wenig offene Angriffe auf die Klimawissenschaft, aber sie seien durchaus vernehmbar. Insbesondere die wirschaftlichen Argumente aus Sicht der betroffenen Industrien seien in Brüssel zu finden: Angst vor sog. carbon leakage, Gefahren für Arbeitsplätze, steigende Kosten und unnötige Auflagen. Dies drücke sich auch in den Aussagen des Kommissars Guenther Oettinger aus, der immer wieder betone, die EU könne nicht alleine 30 % ihrer CO2-Emissionen reduzieren. Tim Nuthall betonte,  die Strategie der Klimaskeptiker sei mit FUZ abzukürzen, nämlich "Furcht, Unsicherheit und Zweifel" säen. 
Zur möglichen Lösung schlägt Tim Nuthall vor, die Argumente aus ihrer politischen Zuordnung zu befreien. Der Klimawandel sei kein links-rechts Thema. Auch die konservativen müssen sich in dem Thema wiederfinden können, zusätzlich müsse man die konservative Schicht als Bündnispartner gewinnen. Die falschen „Argumente“ der Skeptiker müssen deutlicher gemacht werden.

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