18. Internationale Klimakonferenz in Doha

  • Der gemeinsame Antrag der grünen Bundestagsfraktion sowie der SPD-Bundestagsfraktion: Klimakonferenz Doha - Kein internationaler Erfolg ohne nationale Vorreiter. Download als PDF-Datei


Videostatement von Renate Künast und Hermann Ott zur Klimapolitik der unterschiedlichen Geschwindigkeiten

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Plenarrede am 29.11.12 zu Doha - "Antrag der Koalition ist unerträgliche klimapolitische Selbstbeweihräucherung!"

Kein internationaler Erfolg ohne nationale Vorreiter

Seit letzter Woche läuft in Doha, der Hauptstadt Katars, die 18. internationale Klimakonferenz (COP). Doch die Ausganglage ist schwierig, die internationale Klimapolitik tritt seit Jahren auf der Stelle, gleichzeitig steigen die weltweiten Treibhausgasemissionen unvermindert an und die Klimawissenschaft mahnt mit ihren aktuellen Forschungen zur Eile.

Die Klimaverhandlungen verlaufen seit Jahren zäh und langsam. Mit dem auf der letzten Konferenz in Durban beschlossenen Fahrplan, dass ein neues Klimaschutzabkommen bis spätestens zum Jahr in 2020 in Kraft treten soll, ist das Zwei-Grad-Ziel nur schwierig zu erreichen. Für das Zwei-Grad-Ziel müssen die Treibhausgasemissionen schon vor dem Jahr 2020 deutlich sinken. Deshalb muss es neben dem UN-Klimaprozess neue Allianzen der klimapolitisch fortschrittlichen Staaten geben, um mehr Verbindlichkeit, ambitionierte Zusagen zur Treibhausgasreduktion sowie zur Finanzierung zu erreichen. Diese Allianz der Vorreiter kann vorangehen, ohne auf den Letzten zu warten. Den Druck auf die Bremser beim Klimaschutz gilt es so zu erhöhen: Einerseits im Rahmen der weiteren Verhandlungen, andererseits durch das erfolgreiche Beispiel der Vorreiter, die zeigen, dass Klimaschutz Chancen bietet.


Bundesregierung gefährdet den internationalen Klimaschutz durch Tatenlosigkeit

Doch außer Worten liefert die Bundesregung nichts. Im Gegenteil: Statt die Energiewende erfolgreich voranzubringen, bremst sie den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien und sieht tatenlos zu, wie der europäische Emissionshandel vor die Wand fährt. Sie zeigt in Brüssel keine Initiative für die so dringend notwendige Anhebung des europäischen Klimaziels bis 2020 auf minus 30 Prozent. Und dass, obwohl das derzeitige europäischen Klimaziel von minus 20 Prozent schon heute faktisch erreicht ist. Selbst zur Erreichung des nationalen Klimaziels von minus 40 Prozent liefert die Bundesregung nicht. Notwendige Maßnahmen wie ein nationales Klimaschutzgesetz mit Zielvorgaben in allen relevanten Sektoren sind nicht in Sicht.


Grüne Forderungen für Doha:

1. Der internationalen Klimaschutz muss mit der Strategie einer Klimapolitik der unterschiedlichen Geschwindigkeiten vorangebracht werden,

innerhalb derer

  • Deutschland endlich wieder eine Vorreiterrolle im Klimaschutz einnimmt und Klimaschutzallianzen mit anderen ambitionierten Pionierstaaten eingeht und
  • auch die EU ambitioniert im Klimaschutz vorangeht.


Vorreiterstaaten müssen sich zusammenschließen und eine ambitionierte Klimapolitik vorantreiben, ohne dies von Verweigerern, wie den USA, abhängig zu machen. Intensiver Technologietransfer und Kooperationen zwischen den Mitgliedern der Vorreiterallianz (zum Beispiel die EU gemeinsam mit wichtigen Schwellen- und Entwicklungsländern) sollen innerhalb dieser Allianz unter anderem zur zunehmenden Unabhängigkeit von Rohstoffimporten und zu regionaler Wertschöpfung führen - verbunden mit der Schaffung neuer, sicherer Jobs. Eine erfolgreiche Vorreiterallianz soll andere Staaten motivieren, sich anzuschließen, um dann ebenfalls im Gegenzug für ambitionierte Klimaziele vom Know-how der Vorreiterallianz zu profitieren.


2. Die formale Verlängerung der ersten Verpflichtungsperiode des Kyoto Protokolls muss jetzt in Doha beschlossen werden

Dabei muss sich

  • die EU zu einer Minderung von 30 Prozent verpflichten
  • eine Übertragung von bisher nicht genutzten Emissionsrechten (sogenannte „hot air“) in die zweiten Verpflichtungsperiode weitgehend vermieden werden und
  • mindestens eine Revisionsklausel eingefügt werden, die eine weitere Zielanhebung ohne Ratifikation möglich macht.


Ende dieses Jahres 2012 läuft die erste Verpflichtungsperiode (2008–2012) des Kyoto-Protokolls aus, in dem sich die Industrieländer zu einer Minderung ihrer jährlichen Treibhausgas Emissionen um durchschnittlich 5,2 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 verpflichtet haben. Dem Kyoto Protokoll unterliegen jedoch nicht die weltgrößten Emittenten wie USA (nie ratifiziert) und China (als Schwellenland nicht verpflichtet). Bislang gibt es für die 2012 auslaufende Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls noch keine Anschlussregelung, alle Verhandlungen auf internationaler Ebene sind bislang gescheitert (zuletzt auf der Klimakonferenz in Kopenhagen). Auf der letzten Klimakonferenz im südafrikanischen Durban (2011) wurde jedoch vereinbart, dass Ende diesen Jahres in Katar kurzfristig eine Anschlussregelung für Kyoto vereinbart wird. Der Kreis der Länder die augenblicklich dazu bereit sind, ist allerdings deutlich kleiner als in der ersten Verpflichtungsperiode. Sicher sind derzeit nur die EU, die Schweiz und Norwegen. Ausgeschlossen scheinen Japan, Kanada und natürlich die USA, wenig wahrscheinlich ist die Teilnahme von Russland, offen ist das Verhalten von Neuseeland und Australien. Auch wenn der Kreis kleiner wird, ist eine zweite Verpflichtungsperiode dennoch wichtig. Erstens als nötiges Symbol und zweitens um wichtige Elemente des Kyoto-Protokolls weiterzuführen (unter anderem die Regeln zu Vergleichbarkeit von Anstrengungen) in Hinblick auf eine neue Klimavereinbarung.

Noch existierende und nicht genutzte Emissionsberechtigungen aus der ersten Verpflichtungsperiode (sog AAUs insbesondere von Russland und anderen osteuropäischen Staaten, unter anderem Polen) entsprechen einer Gesamtemissionsmenge von 13 Gigatonnen. Würden diese vollständig in die nächste Verpflichtungsperiode übertragen und in Durban vereinbarte Regeln zur Anrechnung von Senken im Rahmen der Landnutzungsänderungen (LUCUCF) zu Anwendung kommen, könnte das im schlimmsten Falle bedeuten, dass sogar eine Emissionszunahme um 2,6 Prozent gegenüber 1990 möglich wäre. Das gilt es in jedem Fall zu verhindern. Damit die bisherigen eher unambitionierten Ziele nicht in Form einer zweiten Verpflichtungsperiode bis 2020 (also über acht Jahre) festgeschrieben werden, sollte es mindestens eine Revisionsklausel (2015) geben, die eine spätere Anhebung von Zielen ohne Ratifikation erlaubt.


3. Für ein neues Klimaabkommen bis 2015 muss in Doha mindestens ein konkreter Fahrplan mit definierten Eckpunkten verabredet werden

In der vorangegangenen Konferenz im südafrikanischen Durban wurde auch vereinbart, dass bis 2015 ein neues umfassenderes Klimaabkommen verhandelt sein soll, das spätestens 2020 in Kraft tritt. Hinsichtlich der Verbindlichkeit einer solchen Vereinbarung ist der Beschluss von Durban aber relativ offen geblieben: "outcome with legal force". In Doha ist wichtig, dass ein substanzieller Fortschritt erkennbar wird. Ohne mindestens einen konkreten Arbeits- und Zeitplan besteht die Gefahr, dass die Verhandlungen wieder weiter verschleppt werden und auch bis 2015 kein Ergebnis vorliegt. Wichtig für dieses neue umfassende Klimaabkommen ist, dass es eine rechtsverbindliche Form bekommt und alle Länder mit einbezieht. Keinesfalls darf die kommende COP in Doha hinter die Beschlüsse von Durban zurückfallen.


4. Die Klimaschutzziele bis 2020 müssen erhöht werden, um das 2 Grad Ziel zu erreichen (Schließen der Ambitionslücke bis 2020)

In der vorausgegangenen Konferenz von Durban wurde weiter beschlossen, dass es Verhandlungen über die Erhöhung der kurzfristigen Ziele (Kopenhagen Pledges) geben soll. Die bisher im Rahmen des „Pledge and Review“ Prozesses von Kopenhagen gemachten Minderungszusagen müssen erhöht werden, um das von der Staatengemeinschaft anerkannte zwei Grad Ziel zu erreichen. Insbesondere die von den Industrieländern gemachten und teils konditionierten Zusagen sind noch nicht ausreichend um die Emissionen auf den zwei Grad Pfad zu bringen (das heißt, sie sind noch außerhalb der vom IPCC geforderten minus 25 – 40 Prozent). Von mehr als 100 Ländern (darunter auch aus dem arabischen Raum wie Saudi Arabien, Katar oder Länder wie Nigeria und Thailand) liegen überhaupt noch keine Klimaziele bis 2020 vor. Im Hinblick auf die Klimaziele bis 2020 sollte es in Durban erkennbare Fortschritte geben, darunter zum Beispiel auch die Bereitschaft zur Reduzierung kurzlebiger Klimasubstanzen wie Ruß oder die Einbeziehung des Flug- und Schiffsverkehrs in ein Klimaregime. Heißt: erstens ein Anheben der bisherigen Zusagen, zweitens neue Zusagen und drittens zusätzliche Initiativen.


5. Klimafinanzierung für die Zeit von 2013 – 2020 sicherstellen (Schließen der Finanzierungslücke bis 2020)

Die Klimakonferenz in Doha ist für die Klimafinanzierung von großer Bedeutung. Denn in diesem Jahr endet die Phase der in Kopenhagen gemachten Schnellstartfinanzierung, in der sich Industrieländer verpflichtet hatten, zwischen 2010 und 2012 gemeinsam 30 Milliarden US-Dollar für Emissionsminderungs- und Anpassungsmaßnahmen in Entwicklungsländern zur Verfügung zu stellen.

Ebenso haben sich Industrieländer verpflichtet, ab 2020 jährlich für Emissionsminderungs- und Anpassungsmaßnahmen in Entwicklungsländern 100 Milliarden US-Dollar zu mobilisieren. Unklar ist bisher, wie es mit der Klimafinanzierung zwischen 2012 und 2020 weitergeht. Die Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, dass die Finanzierung von Klimaschutz und von nationalen Anpassungsstrategien und -maßnahmen an die Folgen des Klimawandels in Entwicklungsländern ab dem Jahr 2013 gesichert ist. Es muss geklärt werden, wie der Aufwuchspfad für die Klimafinanzierung für die Jahre 2013 bis 2020 gestaltet wird, welche Zwischenziele erreicht werden sollen und wie für den Green Climate Fund eine solide und zuverlässige Finanzierung garantiert werden kann.


Fehlender Anreiz und fehlende Mittel für Investitionen in den Klimaschutz sind ein verheerendes Signal für die Klimaverhandlungen in Doha

Wird der Emissionshandel nicht durch kurzfristige Maßnahmen gestützt, droht ein Absturz der Zertifikatepreise auf unter 4,50 Euro. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der EU Kommission. Ramschpreise für Emissionszertifikate verhindern Investitionen in klimafreundliche Technologien und gefährden die Finanzierung wichtiger Projekte der Energiewende. Das Mittel der Wahl dies zu verhindern, wäre, die Zertifikate zu verknappen. Doch Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler hat schon einmal klargestellt, dass eine Verknappung der Emissionszertifikate für ihn nicht in Betracht kommt. Wie gehabt: Kurzfristige Wirtschaftsinteressen gehen der FDP vor das Gemeinwohl. Ein weiterer Beleg für den Abschied Deutschlands von seiner ehemaligen Rolle als Vorreiter im Klimaschutz und ein verheerendes Signal für die internationalen Klimaverhandlungen in Doha.


Niedriger CO2-Preis gefährdet wichtige Projekte der Energiewende

Ein Großteil der Mittel, die in Deutschland in den Klimaschutz investiert werden sollen (unter anderem für das KfW-Gebäudesanierungsprogramm), kommt aus dem Energie- und Klimafonds der Bundesregierung. Es ist damit direkt abhängig vom CO2-Preis, da die Einnahmen aus dem Emissionshandel den Fonds speisen. Bedingt durch den aktuell geringen Zertifikatepreis von deutlich unter sieben Euro fehlen die notwendigen Finanzmittel, um die Energiewende mit notwendigen Investitionen zu unterstützen. Doch die Bundesregierung sieht tatenlos zu wie der CO2-Preis seit Monaten verfällt. Statt Vorschläge zur Stabilisierung des Preises zu machen, streicht sie lieber die Programme im Energie- und Klimafonds weiter zusammen.


Kurzfristige Verknappung von Emissionszertifikaten ist dringende Sofortmaßnahme

Maßnahmen zur Stützung des CO2 Preises sind mehr als überfällig. Die bislang einzige konkret von der EU-Kommission vorgeschlagene Maßnahme des backloading, also das vorrübergehende „vom Markt nehmen“ von Zertifikaten im Rahmen der Versteigerungsverordnung, kann nur eine dringend notwendige Sofortmaßnahme sein. Um eine dauerhafte Stabilisierung des CO2 Preises zu erreichen, brauchen wir eine Kombination aus solchen kurzfristigen Maßnahmen wie dem backloading oder Set-Aisde (endgültige Stilllegung von überschüssigen Emissionszertifikaten) mit zusätzlichen langfristigen Maßnahmen wie der Absenkung des europäischen Klimaziels auf minus 30 Prozent und der Einführung eines CO2 Mindestpreises. Doch noch nicht einmal zu einer vorübergehenden Stilllegung von Zertifikaten kann sich die Bundesregierung derzeit durchringen.


Langfristige Stabilisierung der CO2 -Preise durch Anhebung des EU Klimaziels

Die EU muss jetzt ihr Klimaziel ohne Vorbedingungen auf minus 30 Prozent anheben. Dies führt erstens zu einer Stabilisierung des CO2 Preises im Emissionshandel, da bei einer Zielverschärfung entsprechend weniger Zertifikate zur Verfügung stehen. Dies ist zweitens die Voraussetzung dafür, dass Deutschland sein nationales Klimaziel (minus 40 Prozent bis 2020) überhaupt schafft. Und schließlich ist die Erhöhung des Klimaziels für die EU notwendig, um dem Anspruch eines Vorreiters gerecht zu werden und die internationalen Verhandlungen voranzubringen. Um auch Polen zu einem Verbündeten des Klimaschutzes in der EU zu machen, muss auf dessen Ängste und Bedürfnisse eingegangen werden. Die Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, dass die EU unserem Nachbar großzügig bei der Wende zu Erneuerbaren Energien unter die Arme greift. Doch die Bundesregierung zeigt in Brüssel keine Initiative für die so dringend notwendige Anhebung des europäischen Klimaziels bis 2020 auf minus 30 Prozent. Und dass, obwohl das derzeitige europäischen Klimaziel von minus 20 Prozent schon heute faktisch erreicht ist.


Die Grüne Antwort: Klimaschutzhaushalt statt Fondslösung

Statt des Energie- und Klimafonds wollen wir einen Klimahaushalt verabschieden, der die notwendigen Investitionen in den Klimaschutz unabhängig von aktuellen CO2-Preisen macht und die Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen auf eine breitere Basis stellt. Dazu wollen wir bestehende Klima- und umweltschädliche Subventionen (insgesamt 48 Milliarden Euro laut Umweltbundesamt) konsequent abbauen - wie die unzähligen Ausnahmen bei den Energiesteuern abschaffen, unter anderem für die heimische Braunkohle, oder die steuerliche Förderung besonders verbrauchsstarker Firmenwagen beenden. Bereits kurzfristig wollen wir zusätzliche fünf Milliarden Euro für den Klimaschutz im Bundeshaushalt bereitstellen. Nicht nur die zusätzlichen Einnahmen unterstützen die Energiewende, durch den Subventionsabbau werden so gleichzeitig auch bestehende Fehlanreize beseitigt.


Deutschland hinkt beim Klimaschutz hinterher

Nicht nur das derzeitige Versagen der Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Absturz der Zertifikatepreise zeigen das Deutschland leider schon lange kein Vorreiter mehr im Klimaschutz ist. Es fehlen Maßnahmen um das nationale Klimaziel zu erreichen, es fehlt ein Klimaschutzgesetz für verbindliche Ziele und ein stetiges Monitoring, es fehlt eine stringente Klimaaußenpolitik und es fehlt in vielen Bereichen an Engagement auf EU-Ebene. Viele Mitgliedsstaaten der EU warten auf ein deutliches Signal aus Deutschland für den Klimaschutz und ein entschlossenes Handeln. Dieses Signal kommt jedoch nicht, da sich die zuständigen Minister nicht einigen können und Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht eingreift.