Vor der entscheidenden Klimakonferenz in Kopenhagen steht fest: Deutschland braucht dringend einen Kurswechsel in der Klimapolitik. Deutschland wird seine selbst gesteckten Klimaziele krachend verfehlen und ist international vom Vorreiter zum Bremser geworden. Das ist die bittere Bilanz nach vier Jahren großer Koalition. Merkels Regierung hat mit einer Mischung aus Obstruktionspolitik und klimapolitischem Dilettantismus notwendige Schritte beim Klimaschutz verhindert und gefährdet damit Zukunftsjobs.
Die Liste der Versäumnisse und falschen Weichenstellungen ist lang. Die große Koalition hat die CO2-Grenzwerte für Autos in Brüssel aufgeweicht und weite Teile der Industrie vom Emissionshandel ausgenommen. Mit der Abwrackprämie werden Milliarden für die Subventionierung überholter Technologien verpulvert, ohne die Arbeitsplätze wirklich nachhaltig zu sichern. Immer noch warten wir auf eine ökologisch orientierte Reform der Kfz-Steuer und ein Energieeffizienzgesetz. Den vollmundigen Worten von Frau Merkel auf internationalem Parkett stehen zuhause nur klägliche Taten gegenüber.
Deutschland muss die eigenen Reduktionsverpflichtungen ernst nehmen und international wieder zum klimapolitischen Vorreiter werden. Dafür wollen wir Grüne umgehend die Weichen stellen. 100 Tage vor Kopenhagen nennen wir zehn Sofortmaßnahmen, die wir nach der Bundestagswahl gleich auf den Weg bringen werden:
Bislang ist das erklärte nationale Treibhausgasreduktionsziel von minus 40% bis 2020 nicht nur rechtlich völlig unverbindlich, es wird vor allem mit den bislang verabschiedeten Klimaschutzmaßnahmen sicher verfehlt. In einem Klimaschutzgesetz wollen wir ein nationales Reduktionsziel von mindestens minus 40% rechtlich verankern. Für die Bereiche Verkehr, Industrie, Wohnen und Stromerzeugung werden wir Sektorziele festlegen und wirksame Sanktionen bei Zielverfehlung einführen.
Ungeachtet des Klimawandels können in Deutschland noch immer neue Kohlekraftwerke gebaut werden. Damit wird eine extrem klimaschädliche Energieversorgung zementiert. Die jetzt noch geplanten neuen Kohlekraftwerke würden mehr CO2 produzieren, als ganz Deutschland 2050 noch ausstoßen darf. Das ist klimapolitisch unverantwortlich und wirtschaftlich unvernünftig. Im Genehmigungsrecht für Kraftwerke wollen wir deshalb einen elektrischen Mindestwirkungsgrad von 58% festschreiben, der den Neubau von Kohlekraftwerken unmöglich macht.
Jede eingesparte Kilowattstunde spart Kosten, schont das Klima und vermindert die Abhängigkeit von teuren fossilen Rohstoffen. Wir wollen endlich ein ambitioniertes Effizienzgesetz verabschieden. Um 20% soll der Energieverbrauch bis 2020 sinken. Dazu werden wir Sparvorgaben für Energieversorger sowie mehr Energieeffizienz in Unternehmen vorschreiben und den Top-Runner-Ansatz einführen, bei dem jeweils das effizienteste Gerät den Standard setzt.
Wir werden einen Energiesparfonds einführen, um insbesondere einkommensschwachen Haushalten beim Energie- und Geldsparen zu helfen. Mit mindestens zwei Milliarden Euro jährlich ausgestattet soll der Fonds zum Beispiel energetische Sanierungen in sozialen Brennpunkten, kostenlose Energieberatungen und Anschaffungshilfen für besonders energieeffiziente Haushaltsgeräte finanzieren.
Wir werden das Wärmegesetz umgehend novellieren, damit auch im Gebäudebestand verstärkt erneuerbare Energien genutzt werden. Damit legen wir den Grundstein dafür, dass der Anteil regenerativer Wärme von heute 7% auf mindestens 28% bis 2020 ansteigt.
Elektromobilität mit Strom aus erneuerbaren Energien ist ein wichtiger Baustein einer klimaverträglichen Verkehrspolitik. Für den Durchbruch dieser Technologie müssen endlich Elektrofahrzeuge auf die Straße kommen, vom E-Fahrrad über E-Roller und Plug-In-Hybride bis zu reinen Elektroautos! Wir werden für jedes Elektroauto einen über die Jahre sinkenden Anschaffungszuschuss von bis zu 5.000 Euro gewähren, um die höheren Batteriekosten auszugleichen. Über Anpassungen bei der Kfz- und Stromsteuer werden wir sicherstellen, dass Elektrofahrzeuge ausschließlich mit Ökostrom betrieben werden.
Der Verkehr ist für rund 20% der Treibhausgasemissionen in Deutschland verantwortlich. In der Tendenz steigt der CO2-Ausstoß in diesem Bereich. Der Schlüssel für einen klimafreundlichen Verkehr ist der Ausbau des öffentlichen Verkehrs und der Radverkehrsinfrastruktur. Den Nahverkehr mit Bussen und Bahnen wollen wir deshalb überall zu einer echten qualitätsvollen Alternative ausbauen – auch in ländlichen Regionen. Dafür werden wir sofort zusätzlich zwei Milliarden Euro bereitstellen.
Nicht nur die Kfz-Steuer, sondern auch die Besteuerung von Dienstwagen muss sich konsequent am CO2-Ausstoß orientieren. Es kann nicht sein, dass die Anschaffung schwerer spritschluckender Dienstwagen vom Steuerzahler mit Milliardensummen belohnt wird. Wir wollen, dass die Abschreibungen für Dienstwagen mit steigendem CO2-Ausstoß geringer werden und damit mindestens zwei Milliarden Euro Steuermehreinnahmen erzielen.
Neben einem besseren Verkehrsfluss und einer höheren Verkehrssicherheit verringert eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 120 km/h die durch den Pkw-Verkehr verursachten Treibhausgasemissionen sofort um 9%. Mit dieser Sofortmaßnahme lassen sich 40 Millionen Tonnen CO2 bis 2020 einsparen, ohne dass dafür nennenswerte Kosten entstehen.
Jedes Jahr gibt die öffentliche Hand in Deutschland etwa 300 Milliarden Euro für Bauleistungen, Fahrzeuge, Energie, Kantinenverpflegung usw. aus. Wir werden einen nationalen Aktionsplan für umweltgerechte Beschaffung aufstellen – wie ihn alle anderen EU-Staaten längst haben – um durch diese Nachfragemacht von Seiten des Staates ökologischen Innovationen zum Durchbruch zu verhelfen.
Mit diesen Sofortmaßnahmen schützen wir das Klima und geben ein starkes Signal für die internationalen Klimaverhandlungen. Es macht einen Unterschied, wer in Kopenhagen am Verhandlungstisch sitzt. Grüne geben dort dem Klima und der ökologischen Modernisierung eine starke Stimme, Schwarz-Gelb vornehmlich den Lobbyisten der alten Technologien.