Durban: Chance für Klimagerechtigkeit vertan

Dr. Hermann E. Ott zu den Ergebnissen der Klimakonferenz in Durban

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Die Ergebnisse

  • Kyoto wird nur unkonkret verlängert: Das Kyoto-Protokoll soll weiter leben, soweit die gute Nachricht. Unklar geblieben ist vor allem wie lange diese zweite Verpflichtungsperiode sein wird und es fehlen die Konkretisierungen bei den Minderungsverpflichtungen, Wichtiges bleibt offen und wird vertagt. Bis Mai 2012 sollen Staaten Vorschläge vorlegen und die weitere Konkretisierung ist erst für die nächste Klimakonferenz in Katar vorgesehen. Eine zweite Verpflichtungsperiode wird auch ohne wichtige Emittenten wie China auskommen müssen, die unter Kyoto bisher keine Minderungsverpflichtungen eingehen mussten. Die USA haben Kyoto nie ratifiziert und Kanada, Russland und Japan bereits erklärt einer zweiten Verpflichtungsperiode nicht beizutreten.
  • Formulierung zu neuem Abkommen zu vage und es kommt zu spät. Zwar soll es bis spätestens 2015 ein neues Klimaabkommen geben aber die Verbindlichkeit einer solchen Vereinbarung ist offen ("outcome with legal force") und der avisierte Zeitpunkt des in Kraft tretens 2020 ist viel zu spät. Ab hier müssten die globalen Emissionen eigentlich schon spürbar sinken.
  • Der Green Climate Fond (GCF) bleibt weitgehend eine leere Hülle. Es wird einen arbeitsfähigen Fonds geben, das ist die gute Nachricht. Allerdings bleibt vor allem offen, woher die notwendigen Mittel in Höhe von 100 Mrd. Euro ab 2020 konkret kommen sollen.


Chance für Klimagerechtigkeit vertan

In Durban wurde erneut die Chance verpasst, auf einen alternativen Entwicklungspfad einzuschwenken, der die globale Erwärmung unter zwei Grad halten kann. Die ausgehandelten Kompromisslösungen bedeuten besonders für junge Menschen in den ärmeren Ländern der Welt, eine Zukunft, die beeinträchtigt sein wird von den Folgen des Klimawandels. Schon heute leiden die Menschen in Entwicklungsländern am Stärksten unter den Folgen der weltweiten Erwärmung. Viele müssen damit rechnen, ihre Lebensgrundlagen zu verlieren.

Dabei haben die Ärmsten der Welt am wenigsten oder gar nichts zum Klimawandel beigetragen. In Afrika, dem Gastgeberkontinent des Gipfels, werden bis 2020 Millionen Menschen an Wassermangel leiden. Die landwirtschaftlichen Erträge werden sich wegen des ausbleibenden Regens stark verringern. Gleichzeitig bedroht der Anstieg des Meeresspiegels schon jetzt zahlreiche Küstenregionen. Viele Menschen werden ihre Heimat verlassen müssen.

Es sind die Industrieländer, die für diese Ereignisse die Hauptverantwortung tragen. Ihre industrielle Entwicklung bedeutet für viele Menschen und kommende Generationen den Verlust ihrer Lebensgrundlage. Die in Durban getroffenen Beschlüsse sind angesichts der notwendigen Klimagerechtigkeit trotz kleiner Erfolge unzureichend.


Der grüne Klimafonds bleibt vorerst leer

Ein für die Klimagerechtigkeit zentraler Teil des „Durban-Pakets“ hat am Ende nur noch eine Nebenrolle gespielt: die Finanzhilfe für Entwicklungsländer. In Kopenhagen hatten die Industriestaaten jährlich 100 Milliarden Dollar ab 2020 zugesagt, um sie dabei zu unterstützen, sich an die Konsequenzen des Klimawandels anzupassen.

Dafür stand in Durban der grüne Klimafonds (Green Climate Funds) auf dem Programm. Die Einrichtung des Fonds und seines Verwaltungsorgans, das aus jeweils zwölf VertreterInnen der Industrie- und Entwicklungsstaaten bestehen soll, wurde bereits in Cancún beschlossen. In Durban vereinbarten die StaatsvertreterInnen nun ein Arbeitsprogramm für 2012, um den Fonds arbeitsfähig zu machen. Die bescheidenen Fortschritte sind dem gemeinsamen Engagement der Inselstaaten, der ärmsten Entwicklungsländer und der EU zu verdanken.

Die Kernforderung, zumindest eine ausreichende finanzielle Erstausstattung des Fonds zu gewährleisten, wurde in Durban jedoch nicht erfüllt. Das einsame deutsche Angebot über eine einmalige Zahlung von 40 Millionen Dollar erscheint hilflos gegenüber der fehlenden Gesamtstrategie. Wie und wann die von den Industrieländern zugesagten Summen aufgebracht werden, ist weiterhin ungeklärt. Ein Vorschlag zur Gegenfinanzierung, Abgaben auf Schiffs- und Flugverkehr zu nutzen, wurde aus dem Abschlusspapier gestrichen. Wie soll aber ein Fonds, der leer ist, arbeiten?


Europa muss jetzt der Allianz mit Entwicklungsländern gerecht werden

Die Allianz, die die EU in Durban mit Entwicklungsländern schmiedete, sollte die Konferenz überdauern. Deutschland und die EU müssen beginnen, die Unterstützung der ärmeren Länder durch konkrete finanzielle Zusagen zu sichern. Es muss ein glaubwürdiger Plan erstellt werden, aus dem hervorgeht, wann und wie Deutschland und die EU bis 2020 das notwendige Geld für den Klimafonds aufbringen werden. Ideen für die Gegenfinanzierung liegen auf dem Tisch. Die Regierungen müssen nun Entscheidungen fällen.

Bei der gerechten und nachhaltigen Verteilung der Gelder müssen außerdem klare Regeln der Transparenz und eine stärkere Armutsorientierung im Sinne der Klimagerechtigkeit eingehalten werden. Erstens kann in vielen Ländern der EU bislang nicht nachvollzogen werden, woher die Gelder, die für den Kampf gegen den Klimawandel ausgegeben werden, stammen. Zweitens existiert eine Schieflage zwischen den Mitteln, die der Anpassung an den Klimawandel dienen - und auf die besonders die ärmsten Länder angewiesen sind - und jenen, die in Projekte der zukünftigen Emissionsminderung investiert werden.


Klimaschutz als Exportgeschäft

Während erstere allein den Entwicklungsländern dienen, sind die Projekte zur Emissionsminderung für die Industrieländer von weitaus größerem Interesse. Zum einen können sie über die Durchführung von Projekten zur Emissionsminderung in anderen Ländern das Recht erlangen, zu Hause weiter die Atmosphäre zu verschmutzen. Auf dem Papier erhöht sich dadurch die erzielte Einsparung von Emissionen, für das Klima aber ergibt sich ein Nullsummenspiel.

Zum anderen lassen sich bei Minderungsprojekten Kreditprogramme einsetzen und durch den Export klimafreundlicher Technologien wirtschaftliche Gewinne erzielen. Dagegen sind Anpassungsprojekte eher mit Projekten der Entwicklungszusammenarbeit zu vergleichen, da sie den Ärmsten zugutekommen und den Menschen, die beispielsweise durch Überschwemmungen oder Dürren betroffen sind, eine langfristige Perspektive bieten.

In Kopenhagen und Cancún wurde beschlossen, dass im Namen der Klimagerechtigkeit die Klimafinanzierung ausgewogen für beide Bereiche, Anpassung und Emissionsminderung, bereitgestellt werden soll. Die Bundesregierung gibt aber deutlich weniger Mittel für Anpassung aus als für Emissionsminderung. Das bedeutet, dass weit mehr Geld in Schwellenländer fließt als in Entwicklungsländer, und dass in armutsorientierte Bereiche wie Ernährungssicherheit oder Zugang zu Trinkwasser zu wenig investiert wird. Dabei stammen sämtliche Gelder, die die Regierung in Klimaschutz investiert, aus Geldern, die sie gleichzeitig als Entwicklungsgelder anrechnet. Aus diesem Grund sollte die Aufstockung des entwicklungspolitischen Klimaprogramms des BMZ seit 2009, das Entwicklungsminister Niebel anlässlich der Konferenz zufrieden feststellt, ebenfalls regelmäßig auf seine Armutsorientierung und Nachhaltigkeit geprüft werden.


Auch Klimaschutz „von unten“ muss gefördert werden

Durban hat erneut gezeigt, dass Klimakonferenzen allein nicht ausreichen, um die Erderwärmung nachhaltig und schnell zu bremsen. Der UN-Prozess bleibt notwendig, denn nur hier haben alle Länder, auch die, deren Existenz gefährdet ist, eine Stimme. Momentan ist die Gefahr, dass das Zwei-Grad-Ziel weit verfehlt wird aber viel zu groß, um sich allein auf die großen staatliche Lösungen auf UN-Ebene zu verlassen.

Eine Klimapolitik der unterschiedlichen Geschwindigkeiten ist gefragt, Deutschland und die EU müssen Vorreiterrollen einnehmen. Aber gleichzeitig muss der Blick auf die vielen Menschen und Initiativen in Entwicklungsländern gelenkt werden, die bereits heute auf lokaler Ebene den Klimawandel bekämpfen und sich erfolgreich an seine Folgen anpassen. Sie können bereits mit geringen Mitteln effektiv unterstützt werden. Auch kleinen dezentrale Projekte, die der Emissionsminderung dienen, bspw. durch Erneuerbare Energien in ländlichen Gebieten, muss mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Dabei wird Armutsreduzierung erfolgreich mit Klimaschutz verbunden.

Veränderungen entstehen durch ein Zusammenspiel der globalen und der lokalen Ebene. Investitionen auf der lokalen Ebene können dabei helfen, sowohl durch den Klimawandel verursachte Entwicklungsrückschritte, zu verhindern, als auch Ziele der Entwicklungszusammenarbeit und Armutsreduzierung zu unterstützen. Entwicklung und Armutsminderung sind ohne Klimaschutz nicht möglich, sondern müssen zusammen gedacht werden.