Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Partner und Freunde,
wohl selten hat man einen ähnlich mächtigen Seufzer am Ende eines Jahres gehört wie Ende 2016 – eine Art kollektive Erleichterung darüber dass dieses Jahr vorbei ist verbunden mit dem Wunsch, dass 2017 bitte anders werden möge. Zumindest politisch. Dieser Hoffnung möchte ich mich anschließen: Möge das Neue Jahr der Beginn einer Transformation in eine nachhaltige, zukunftsfähige Welt werden.
Jenseits aller Politik wird das Neue Jahr für mich geprägt sein durch eine Reihe positiver Entwicklungen des letzten Jahres. Ganz besonders freue ich mich auf meine Berufung als Honorarprofessor an die Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde. Diese Hochschule trägt ihren Namen zu Recht und die Lehrtätigkeit in Vorlesungen und Seminaren des Master-Studiengangs ‚Global Change Management’ bereitet mir große Freude. Auf ehrenamtlicher Ebene freue ich mich sehr auf meine zukünftige Tätigkeit im Präsidium des Deutschen Naturschutzrings, einer Dachorganisation von fast 100 Organisationen. Der DNR umfasst nicht nur Umwelt- und Naturschutzorganisationen, sondern auch Verbände wie den Alpenverein, die Angler, Jäger und Reiter. Ich hoffe dass ich 2017 und darüber hinaus mit den anderen Mitgliedern die Herausforderungen einer nachhaltigen Gestaltung des Anthropozäns breiter in die Mitte der Gesellschaft tragen kann.
Klimapolitisch wird auch das neue Jahr geprägt sein durch die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens von Dezember 2015. Wie in Vorausahnung eines Wahlsiegs von Donald Trump hatte Barack Obama die Ratifikation sehr schnell eingeleitet. Da dieser Vertrag keine substanziellen Pflichten enthält und nach US-amerikanischem Recht ein „international agreement other than a treaty“ ist, konnte er dies ohne Einbeziehung des Senats tun. Auch die VR China ratifizierte schnell und brachte die EU in Zugzwang, so dass das Klimaabkommen bereits vor der 22. Konferenz der Vertragsparteien im November 2016 in Marrakesch (Marokko) in Kraft trat. Eine Kurzanalyse dieser Konferenz und der Entwicklungen findet sich unter dem Titel: „Gute Zeichen, schlechte Zeichen“ von mir und einigen Kolleginnen und Kollegen in deutsch und englisch auf der Webseite des Wuppertal Instituts oder hier. Eine ausführlichere Bewertung wird folgen.
Noch ist es zu früh, eine Prognose darüber abzugeben, ob der Impuls von Paris die Klimapolitik wirklich entscheidend vorantreibt. Die bisherigen Signale sind nicht ermutigend. Der nachhaltigen Rhetorik folgt, leider auch in Deutschland, oft eine ‚Realpolitik’ die weiter auf fossile Brennstoffe setzt. Positiv ist dagegen die Entwicklung von Allianzen wie dem Climate Vulnerable Forum, die in der ‚Marrakech Vision’ gelobt haben so bald wie möglich klimaneutral zu sein. Dies entspricht den Vorschlägen eines Projekts, welches ich zusammen mit dem Deutschen Institut für Entwicklungspolitik und 12 internationalen Partnern durchgeführt habe und in denen wir die Bildung und Themen möglicher Vorreiter-Allianzen untersucht haben (The Potential of Pioneer Climate Alliances to Contribute to Stronger Mitigation and Transformation). Im neuen Jahr soll dieses Projekt erweitert werden, um in Kooperation mit Diplomaten aus den Klimapionier-Staaten unsere Vorschläge noch attraktiver zu machen.
Alle Klimapolitik ist nach meiner Überzeugung jedoch zum Scheitern verurteilt, wenn es nicht gelingt, das Wachstum des Ressourcenverbrauchs unserer globalen Wirtschaft zu stoppen. Wie dies geschehen könnte untersuche ich mit dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und dem Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) seit 2016 in dem Projekt „Ansätze zur Ressourcenschonung im Kontext von Postwachstumskonzepten“ für das Umweltbundesamt (UBA). Im letzten Jahr haben wir Konzepte einer Postwachstumsökonomie und Maßnahmen zur Linderung des Wachstumszwangs analysiert, im nächsten Jahr werden die Fachleute im Wuppertal Institut die Relevanz dieser Maßnahmen für den Ressourcenverbrauch abschätzen. Abschließend werden wir Leitlinien einer ressourcenleichten Postwachstumswirtschaft und Strategien ihrer Umsetzung entwerfen, die in das dritte Ressourceneffizienzprogramm der Bundesregierung einfließen können.
Die Bundesregierung hat Ende 2016 ihren „Bericht zur Lebensqualität in Deutschland“ vorgelegt, doch war das Thema sehr schnell wieder raus aus den Medien. Das lag wohl auch daran, dass wenig Interesse daran bestand, dass dieser Bericht gelesen wird: Ein hoher Aufwand mit 200 sog. „Bürgerdialogen“ und einem Jahr Auswertung hat nichts gebracht als eine Zusammenstellung von Allgemeinwissen ohne jede Wertung. Das ist ein Trauerspiel um eine ernste Sache. Dazu habe ich mit dem ehemaligen CDU-Kollegen Matthias Zimmer (aus der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“) einen Kommentar geschrieben, zunächst auf dem Postwachstumsblog: „Einheitsbrei und Lebensqualität“.
Dieser Blogbeitrag hat das Interesse des Klimaportals ‚klimaretter.info‘ erweckt und ist unter anderem Titel auch dort erschienen: „Lebensqualität macht der Politik Mühe“.
Als Ergänzung zur Forschung organisiere ich seit der Degrowth-Konferenz in Leipzig 2014 einen gesellschaftlichen Dialog über die Grenzen des Wachstums. Das nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag von mir gegründete Netzwerk „Zivile Enquete Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ (in Anlehnung an die Enquete-Kommission des Bundestages) wird 2017 mit Unterstützung des UBA arbeiten können: Im Rahmen der Verbändeförderung bekommt der Verein ‚Wachstumswende e.V.’ Mittel für ein kleines Sekretariat und Veranstaltungen (https://fokus-wachstumswende.de). Das Ziel: Mit Partnerorganisationen und Menschen aus Wissenschaft, Politik, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Medien der Diskurs zu einer zukunftsfesten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu führen. Eine erste Veranstaltung zu „Politik ohne Wachstum“ hat im Dezember 2016 stattgefunden, parlamentarische Abende und eine große Konferenz im Sommer 2017 werden folgen. Wer im Netzwerk aktiv werden möchte stellt bitte unter www.wachstumswende.de/group/zivile-enquete-wachstum-wohlstand-leben/ einen Antrag auf Aufnahme.
Im Newsletter Anfang 2016 hatte ich angekündigt, mit der Redaktion der ‚politischen ökologie’ die Gestaltung eines Heftes zum Thema ‚Religion und Nachhaltigkeit’ zu übernehmen. Das sehr schön gemachte Heft Nr.147 ‚Religion und Spiritualität. Ressourcen für die große Transformation?’ kann auf der Verlagsseite bestellt werden, der von mir und Wolfgang Sachs verfasste Einführungsartikel ‚Letzte Zuflucht Glauben – Der Beitrag der Spiritualität zur Erhaltung einer lebenswerten Welt’ kann hier gelesen werden.Das Heft enthält vierzehn weitere Artikel, zur Rolle der Kirchen in der Friedens- und Entwicklungspolitik, zum Verhältnis des Islam zur Ökologie oder zu Suffizienz und Buddhismus.
Im Jahr 2017 werde ich das Thema weiter verfolgen. Denn das ist doch die Kernfrage: Wie die Menschheit das Verhältnis zu ihrem Heimatplaneten gestaltet – ob als Dominanz- oder als Liebesverhältnis, wie es George Montbiot einmal ausgedrückt hat. Ich hoffe, zu diesem Thema einen Austausch mit Menschen verschiedenster Glaubensrichtungen und Weltanschauungen zu organisieren.
Ich denke es ist auch nach den Hiobsbotschaften schon des neuen Jahres nicht zu spät, uns und der Welt ein friedliches, nachhaltiges und erfülltes Jahr 2017 zu wünschen!
Ihr / Euer
Hermann Ott