Rezension des Buchs „Schlusskonferenz“ von Nick Reimer zur Klimakonferenz in Paris 2015
(veröffentlicht in der Frankfurter Rundschau vom 12.09.2015)
Nick Reimer entlarvt die Konsens-Diplomatie. Wer wissen will, wie Klimadiplomatie funktioniert, kommt an diesem Buch nicht vorbei“ urteilt Hartmut Grassl auf dem Umschlag – und dem kann eigentlich nicht widersprochen werden. Tatsächlich schafft es Nick Reimer, uns mit einem angenehm schmalen Bändchen in verständlicher Sprache die komplexe Welt der Klimaverhandlungen näherzubringen. Auch wer selbst bei fast allen Konferenzen dabei war und einiges dazu geschrieben hat, kann noch Neues erfahren in dieser faktenreichen und mit vielen Anekdoten gespickten Anleitung zur Klimadiplomatie.
Reimer geht im ersten Teil chronologisch vor und arbeitet sich an den Klimakonferenzen voran. Notwendige wissenschaftliche Erkenntnisse werden nicht breit vorangestellt, sondern immer wieder leserfreundlich eingestreut. Im zweiten Teil werden wichtige Themen der Verhandlungen erklärt, wie die Finanzierung von Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen in den ärmeren Ländern oder der Umgang mit den lebenswichtigen Wäldern. Die Verhandlungsgremien werden erläutert; es gibt im Anhang Kurzbeschreibungen der Konferenzen und sogar ein Glossar, in dem die wichtigsten Abkürzungen und Begriffe erklärt werden.
Der Titel „Schluss-Konferenz“ erschließt sich allerdings nicht so recht. Er zielt auf den im Dezember 2015 in Paris stattfindenden Klimagipfel, auf dem ein Nachfolgevertrag für das Kyoto-Protokoll verabschiedet werden soll. Doch im Buch macht der Autor selbst deutlich, dass diese Konferenz nur der Beginn eines neuen Prozesses sein wird.
Auch ist nicht so recht einsichtig, warum Paris die „letzte Chance der Klimadiplomatie“ sein soll. Tatsächlich ist Paris der Prüfstein für eine Form der Diplomatie, nämlich die Konsens-Diplomatie. Weil Saudi-Arabien und andere Ölstaaten seit mehr als 20 Jahren die Einführung von Mehrheitsentscheidungen blockieren, muss über alle Fragen im Konsens entschieden werden. Ein Konsens über die Verringerung der Nutzung fossiler Energien ist bei knapp 200 Staaten, die fast alle abhängig sind und von denen viele am Verkauf verdienen, praktisch unmöglich. Ein echter Klimaschutzvertrag sollte deshalb zunächst nur Staaten umfassen, die wirklich Interesse am Schutz unserer Lebensgrundlagen haben. Das ist die Aufgabe nach Paris. Mit einem Ausblick auf weitere ab 2016 zu erledigende Aufgaben schließt das Buch. Wie gesagt: Wer verstehen will, was in Paris Ende des Jahres verhandelt wird, kommt an Nick Reimer nicht vorbei.
Hermann Ott
208 Seiten, oekom verlag München, 2015
ISBN-13: 978-3-86581-746-4
Erscheinungstermin: 04.06.2015
Preis: 14.95 €
Erhältlich als e-Book