Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Partner und Freunde,

Fazenda Belo Monte, Joaquim Egídio, Campinas

das Jahr 2017 war in vielfacher Hinsicht weltpolitisch beängstigend: In einem nicht für möglich gehaltenen Ausmaß dominierten Ignoranz, Nationalismus und Gewalt die Politik in vielen Gegenden dieser Erde. Doch nicht nur die freiheitlichen und demokratischen, auch die ökologischen Indikatoren zeigen in die falsche Richtung und der Raubbau an der Natur geht ungebremst weiter – trotz bedeutsamer technologischer Entwicklungen im Bereich Effizienz und Erneuerbare Energien. Umso wichtiger ist es, neue Formen des nachhaltigen Wirtschaftens zu (er-)finden um eine Ökonomie zu schaffen die innerhalb der planetaren Grenzen  unseres Planeten funktioniert.

Dies wird ein Schwerpunkt meiner wissenschaftlichen Arbeit im neuen Jahr 2018 sein: Die Entwicklung des Leitbildes einer Ressourcen schonenden (Postwachstums-) Gesellschaft mit den Kolleginnen und Kollegen vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und dem Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI). In dem Projekt „Ansätze zur Ressourcenschonung im Kontext von Postwachstumskonzepten“ (http://wupperinst.org/p/wi/p/s/pd/637/) für das Umweltbundesamt (UBA) haben wir Konzepte einer Postwachstumsökonomie und Maßnahmen zur Linderung des Wachstumszwangs analysiert. Schließlich haben wir die Relevanz von Postwachstumsinstrumenten für den Ressourcenverbrauch abgeschätzt. Unsere Erkenntnisse über die Leitlinien einer ressourcenleichten Postwachstumswirtschaft und Strategien ihrer Umsetzung sollen in das dritte Ressourceneffizienzprogramm (ProgRess III) der Bundesregierung einfließen.

Dem Nachdenken und Konzeptionieren einer Postwachstumspolitik dient auch das von mir nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag initiierte Netzwerk „Zivile Enquete Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ (in Anlehnung an die Enquete-Kommission des Bundestages). Dank der Unterstützung durch das Umweltbundesamt (UBA), der Heinrich-Böll-Stiftung, Brot für die Welt und dem Verein Wachstumswende e.V. konnte das Netzwerk eine große Veranstaltung zu Postwachstumspolitik und Rechtspopulismus sowie einen Parlamentarischen Abend organisieren (Details auf der Webseite von fokus-wachstumswende.de: https://tinyurl.com/y89mr9yr). Die Mitglieder des Netzwerks Zivile Enquete erarbeiteten ein Diskussionspapier: „Postwachstumspolitik: Wohlstand und Lebensqualität für alle – Impulse zu Politikmaßnahmen und Kommunikations-strategien für Gestalter*innen aus Politik, Medien und Zivilgesellschaft“ (https://tinyurl.com/ybjuectk). Wer im Netzwerk aktiv werden möchte kann sich hier anmelden: https://tinyurl.com/yckl7pzx. Im neuen Jahr möchte ich die Zivile Enquete auf eine festere organisatorische Grundlage stellen und sie im Verbund des Deutschen Naturschutzrings (DNR) verankern.

Im Präsidium des DNR bin ich seit Anfang letzten Jahres neben der internationalen Klima- und Energiepolitik für Ressourcenpolitik und ‚Postwachstum’ zuständig (https://tinyurl.com/ycgt7p68). Das erste Jahr als Beirat war geprägt vom Kennenlernen der Organisation, ihrer fast 100 Mitgliedsverbände (darunter fast alle großen Umweltverbände) und der Kolleginnen und Kollegen im Präsidium. Das nächste Jahr sollen die Themen der Nachhaltigkeit, des Anthropozäns und der planetaren Grenzen stärker in die Mitgliedsverbände getragen werden.

Die Klimapolitik, traditionell der Einstieg in meine Arbeit, ist diesmal etwas nach hinten gerutscht. Was aber keinesfalls bedeutet dass sie weniger wesentlich geworden ist! Als konkreteste Folge unserer nicht-nachhaltigen Wirtschafts- und Lebensweise reagiert das Klimasystem wie der sprichwörtliche ‚Kanarienvogel in der Kohlegrube’: So wie früher der kleine Vogel als erstes die tödliche Bildung von Kohlenmonoxid anzeigte, so weisen die (eigentlich recht langsamen) Klimaveränderungen auf noch langsamere und größere ökologische Umwälzungen hin – Veränderungen die das Leben für die Menschen auf diesem Planeten sehr unfreundlich werden lassen.

Das Jahr 2018 wird entscheidend für die Frage werden, wie effektiv die global organisierte Bekämpfung des Klimawandels durch das Pariser Klimaabkommen ist. Dass und in welchem Maße die Regelungen in Bezug auf Reichweite und juristischer Basis unzureichend sind habe ich mit Kolleginnen und Kollegen des Wuppertal Instituts  beschrieben (z.B. hier: https://wupperinst.org/a/wi/s/ad/3362/). Deshalb hängt alles davon ab, dass die Detailregelungen bis Ende dieses Jahres vereinbart werden damit der ‚Ratschenmechanismus’ des Abkommens wirken kann. Denn nur wenn sehr schnell ambitioniertere Klimaschutz-Beiträge nachgelegt werden und wenn diese unabhängig überprüfbar sind kann die Wende zu einer klimafreundlichen globalen Wirtschaft in dem erforderlichen Tempo gelingen.

Leider stehen die Zeichen zu Beginn des Jahres nicht besonders gut. Zwar hatte die Ankündigung eines Ausstiegs aus dem Pariser Klimaabkommen durch US-Präsident Donald Trump zu einer starken Reaktion praktisch aller Staats- und Regierungschefs geführt und die USA waren auf dem G20-Gipfel in Hamburg isoliert. Zusammen mit zwei Kollegen habe ich einen Policy Brief geschrieben, wie die Welt am Besten darauf reagieren sollte (auch auf Englisch: https://wupperinst.org/a/wi/a/s/ad/3972/, „Klimawandel trotz(t) Trump“). Doch zeigte sich auf der letzten Klimakonferenz im November in Bonn, dass der Geist von Paris nicht mehr vorhanden war (mein Blog auf Klimaretter.info: https://tinyurl.com/yalbt8yn). Hier eine erste Bewertung der Klimakonferenz in Bonn / Fiji durch mich und KollegInnen des Wuppertal Instituts (https://tinyurl.com/yaj2tzqv, „Diplomatische Pflicht ohne politische Kür auf der COP23“). Eine ausführlichere Bewertung wird im Januar auf der WI-Webseite stehen.

Falls die Verhandlungen vor und auf der nächsten Klimakonferenz im Dezember 2018 in Katowice, Polen, nicht erfolgreich sind müssen sehr schnell Schritte in Richtung ‚unterschiedlicher Geschwindigkeiten’ erfolgen. Dann ist klar geworden, dass eine globale Transformation im Konsens aller Staaten nicht machbar ist. Die Bedeutung von Klima-Clubs und Pionierallianzen werde ich mit Kollegen des Wuppertal Instituts und vielen europäischen Wissenschaftseinrichtungen in dem von der EU geförderten Projekt ‚RIPPLES’ verfolgen und unter anderem konkrete Empfehlungen für die EU verfassen (https://wupperinst.org/p/wi/p/s/pd/705/).

Zum Abschluss ein sehr persönlicher Blick auf meine Tätigkeit als Honorarprofessor an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde (http://tinyurl.com/hf8asyo): Es ist eine wahre Freude, mit solch engagierten, klugen und netten Studierenden bzw. Kolleginnen und Kollegen zu arbeiten. Der neue Master-Studiengang ‚Global Change Management’ (https://tinyurl.com/yayqnszt) hat im Herbst begonnen und ich freue mich sehr auf die kommenden Seminare!

Mit den besten Wünschen für das Neue Jahr, Ihr / Euer

Hermann Ott

hermann.ott@wupperinst.org