Wenn der Regenwald brennt

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freundinnen und Freunde,

in den letzten vier Jahren gab es kein Update von mir – ich hatte den Eindruck, dass meine Arbeit über die Verteiler von ClientEarth und ClientEarth Deutschland genügend verbreitet worden ist. Im letzten Sommer habe ich die Organisation jedoch verlassen und mich neuen Ufern zugewandt. Es waren wunderbare sechs Jahre, die ich nicht missen möchte: Der Aufbau eines Büros in Berlin für eine internationale Umweltorganisation mitsamt der steilen Lernkurve bei der Errichtung und als Geschäftsführer einer gGmbH (und als Vorsitzender des Vereins ClientEarth – Anwälte der Erde e.V.); die Einstellung und Betreuung von über zwanzig engagierten Mitarbeitenden; und natürlich die Entwicklung von juristischen Handlungsmöglichkeiten im Bereich der Landwirtschaft, zu Luftreinhaltung, Lieferketten und Klimaschutz sowie im internationalen Umweltrecht.

Die Früchte dieser Arbeit sind vielfältig und werden teilweise erst in den nächsten Jahren sichtbar werden. Ich habe mit hervorragenden Kolleginnen und Kollegen ein Programm zu Umweltklagen im Bereich Landwirtschaft entwickelt, von denen zwei eingereicht sind: Eine Klage gegen das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) für verbindliche Regelungen bei der Nutzung von Pestiziden und eine Klage gegen das Land Mecklenburg-Vorpommern für nachhaltigere Landwirtschaft in Schutzgebieten mit dem BUND und Nabu Mecklenburg-Vorpommerns. Weitere Klagen sind in Arbeit. Mit der DUH und Mighty Earth hat ClientEarth Beschwerde beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle eingelegt, um die Lieferketten von Fleischproduzenten auf ihre Vereinbarkeit mit Menschenrechten und Umweltschutz zu überprüfen.

Der internationale Klimaschutz lag mir natürlich besonders am Herzen – hier hat ClientEarth Deutschland im letzten Jahr drei Klima-Gutachten internationaler Gerichte gefördert, begleitet und analysiert. Diese Gutachten durch den Internationalen Seegerichtshof, den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte und den Internationalen Gerichtshof in Den Haag geben dem Klimaschutz einen dringend notwendigen Schub. Der globale Verhandlungsprozess ist leider nicht imstande, die erforderlichen Maßnahmen für den Schutz unserer Lebensgrundlagen zu ergreifen – die höchsten internationalen Gerichte erinnern die Staatengemeinschaft an ihre Rechtspflichten zum Schutz der Ozeane, der Menschenrechte und unserer Zivilisation insgesamt. Beim SPIEGEL gab es dazu ein Interview mit mir, mit einer Kollegin habe ich einen Artikel für die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN) verfasst.

Seit September 2024 bin ich als Rechtsanwalt (wieder) zugelassen und arbeite selbstständig als Consultant für internationale Umweltpolitik und Umweltrecht.

Meine erste Klientin ist die norwegische Regenwaldstiftung (RFN). Sie ist Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts vom Musiker Sting und seiner Frau Trudi Styler gegründet worden. Die Stiftung fördert Projekte im Amazonasgebiet, Zentralafrika und Papua mit ca. 100 Leuten und einem Budget von ca. €20 Mio. „Wenn der Wald brennt, brennt die ganze Welt“ prophezeit der indigene Philosoph und Aktivist Ailton Krenak aus Brasilien – die großen Regenwälder sind nicht nur die „grüne Lunge“ der Erde, sondern auch einer der entscheidenden Kipppunkte für die Stabilität unseres Klimasystems.

Ich berate die Stiftung bei der Vernetzung mit Politik und Zivilgesellschaft in Deutschland sowie für die Strategie im Hinblick auf die nächste globale Klimakonferenz, COP30 in Brasilien. Die internationale Waldpolitik ist ein neues Thema für mich – aber andererseits auch wieder nicht, denn mein Einsatz für den Schutz des Klimas war immer auch ein Kampf für den Wald. Es ist ungeheuer spannend, Einblicke in die internationalen Aktivitäten zum Schutz der Tropenwälder zu erhalten und dabei mitwirken zu dürfen.

Diese Arbeit passt zu meinem Eintreten für die Rechte der Natur. Diese waren mir auch bei ClientEarth ein Anliegen, obwohl die Organisation dies leider nicht fokussiert verfolgt. Mit einem Referendar habe ich einen Artikel zur Umsetzung dieses Konzepts in Deutschland verfasst, der in einem Sammelband des Campus-Verlags erschienen ist (hier einsehbar). Eine allgemein verständliche Argumentation habe ich für das Rotary-Magazin geschrieben. Und ich beteilige mich am Netzwerk „Rechte der Natur“, um das Bewusstsein dafür zu fördern, dass wir als Menschen nicht an der Spitze einer „Lebenspyramide“ stehen, sondern Teil des Lebensnetzes unseres Planeten sind. Diese Einsicht scheint mir unabdingbar, um in Frieden mit der Natur zu leben.

In dieselbe Richtung geht auch mein Einsatz für das Bemühen, Ecocide in das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs einzufügen bzw. den „Ökozid“ in deutsches Recht zu übertragen. Für extreme Gefährdungen und Verletzungen der Natur sollten Menschen strafrechtlich verantwortlich sein. Ein Paradebeispiel ist die durch den ehemaligen brasilianischen Präsidenten Bolsonaro geförderte Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes. Ich habe die Organisation AllRise beraten, um ihn dafür vor den Internationalen Strafgerichtshof zu bringen.

Zusammen mit den ehemaligen Kolleginnen und Kollegen vom Wuppertal Institut schreibe ich jährliche Analysen der internationalen Klimakonferenzen. Eine Kurzanalyse der COP29 in Baku findet sich hier, eine Übersicht über die Artikel der letzten Jahre hier.

Nach über 30 Jahren Arbeit zum Schutz des Klimas mehren sich Fragen wie diejenige auf der Einführung für Erstsemester an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde: Wie ich es denn schaffen würde, meinen Optimismus aufrecht zu erhalten angesichts der fortschreitenden Katastrophe. Für den im Februar 2025 erscheinenden Sammelband „Klimawende jetzt“ habe ich in einem Beitrag versucht, die Gründe für ein Weitermachen darzulegen. Der Kern meiner Argumentation: Es wird wohl keine „große“ Lösung geben, aber vielleicht ein „muddling through“ – dass nämlich Abermillionen Aktionen weltweit unsere Zivilisation unmerklich auf den richtigen Pfad bringen. Wie „legal activism“ dazu beiträgt, habe ich mit zwei Kolleginnen in einem Buch zu „grassroots activism“ dargelegt, das im Frühjahr 2025 erscheinen wird.

Vielleicht braucht es einen realistischen Blick, um die richtigen Schlüsse zu ziehen. Dabei könnte eine Besinnung auf Antonio Gramsci hilfreich sein, der seine Seelenlage in schwerer Zeit mit den Worten „Pessimismus des Verstandes – Optimismus des Willens“ beschrieb.

Ich wünsche Ihnen und Euch ein gutes Neues Jahr 2025!

 

Ihr / Euer

 

Prof. Dr. Hermann Ott

Rechtsanwalt und Senior Consultant

Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde


Bild von Ria Sopala from Pixabay

Posted in: Allgemein.
Last Modified: Januar 21, 2025