Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Partner und Freunde,
das Jahr 2018 war geprägt durch einen beruflichen Pfadwechsel – seit September dieses Jahres baue ich für die internationale Umweltrechtsorganisation ClientEarth das deutsche Büro in Berlin auf und bin darüber sehr glücklich.
Als letzte „Amtshandlung“ habe ich für das Wuppertal Institut ein schönes Projekt für das Umweltbundesamt (UBA) beendet: Ressourcenschonung im Kontext von Postwachstumskonzepten (https://wupperinst.org/p/wi/p/s/pd/637/). Mit den Kolleg*innen von IÖW und RWI habe ich erforscht, in welcher Weise die innovativsten ökonomischen Forschungen für die Minderung des Ressourcen-„Verbrauchs“ genutzt werden können. Unser Hauptergebnis in Bezug auf die Postwachstumsdebatte: Die Entwicklung einer „vorsorgeorientierten Postwachstumsposition“ die aufgrund empirischer Mängel sowohl von Green Growth als auch von Degrowth – Positionen feststellt, dass in jedem Fall eine Verringerung der Wachstumsabhängigkeit sinnvoll ist. Sollte sich diese Maxime durchsetzen, wäre dies ein Paradigmenwechsel erster Güte. Diese Studie und demnächst auch weitere Papiere finden sich auf der Webseite des IÖW: (https://tinyurl.com/y9amregv).
Der Abschied vom Wuppertal Institut nach mehr als zwanzig Jahren ist mir, trotz des zwischenzeitlichen Ausflugs in die Politik, nicht leicht gefallen, denn dieses Institut hat mich sehr geprägt. Doch mit vielen Kolleginnen und Kollegen verbindet mich eine Freundschaft, die auch den beruflichen Wechsel überstehen wird. Und mit einigen wird es sicherlich auch in Zukunft eine Zusammenarbeit geben.
Denn ich habe zwar die Bühne gewechselt, nicht jedoch die Arena: Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen für zukünftige Generationen und für alle anderen Geschöpfe auf unserer Erde. ClientEarth ist vor etwa zehn Jahren von James Thornton in London gegründet worden und hat dazu beigetragen, strategische juristische Ansätze in Europa heimisch zu machen. Mit mittlerweile ca. 160 Mitarbeiter*innen an den Standorten in London, Beijing, Brüssel, New York, Warschau und Berlin wird der Schutz von „people and planet“ über den Lebenszyklus des Rechts verfolgt. Das bedeutet die Kenntnis der wissenschaftlichen Grundlagen (warum besteht ein Problem?), die Erarbeitung von Regelungen (wie könnte eine gesetzliche o.ä. Lösung aussehen?) und die Implementierung bzw. notfalls auch gerichtliche Durchsetzung dieser Regelungen.
Dieser letzte Aspekt zieht die meiste Aufmerksamkeit auf sich, zum Beispiel durch die von ClientEarth unterstützten Dieselklagen der DUH, ist aber tatsächlich nur der kleinste Teil der Arbeit. In Westafrika werden Regierungen bei den Bemühungen zum Schutz der Urwälder unterstützt (und die lokale Bevölkerung bei der Durchsetzung) und in China die Regierung beim Aufbau einer Umweltgerichtsbarkeit beraten. Die polnische Regierung wurde auf Anregung von ClientEarth vom Europäischen Gerichtshof angewiesen, die Abholzung der unersetzlichen letzten Urwälder Europas nicht länger zu erlauben. Und als Anteilseigner eines Energiekonzerns hat ClientEarth gegen einen Energiekonzern geklagt weil es ein weiteres Kohlekraftwerk bauen will. Nicht aus Gründen des Klimaschutzes, sondern weil diese Investitionen ein hohes wirtschaftliches Risiko beinhalten…
In Berlin haben wir als Untermieter ein vorläufiges Büro im Regierungsviertel bezogen (Albrechtstrasse 22, www.clientearth.de), welches mit Hilfe kundiger Kolleg*innen aus London, Brüssel und Warschau nach wenigen Tagen arbeitsfähig war. Die Gründung der gGmbH „ClientEarth Deutschland“ wird Anfang des nächsten Jahres abgeschlossen sein. Zusätzlich haben wir den Verein „ClientEarth. Anwälte der Erde“ gegründet, weil nach deutschem Recht nur Mitgliedervereine im Rahmen der Aarhus-Konvention bzw. des deutschen Umweltrechtsbehelfsgesetzes klagebefugt sind. In drei Jahren – so lange müssen wir leider warten – werden wir hoffentlich klagebefugt sein und können dem Umwelt- und Klimaschutz eigenständig vor Gericht eine Stimme geben. Wer mitarbeiten möchte, ist übrigens herzlich eingeladen.
Programmatisch werden wir uns in der ersten Zeit, neben den Aktivitäten zum Schutz der Menschen vor Stickoxiden durch Straßenverkehr, vor allem der Energiepolitik und hier der Kohle widmen. Es freut mich, viele der langjährigen Kooperationspartner in neuer Rolle wiederzusehen! Wir werden mit Umweltverbänden und wissenschaftlichen Einrichtungen zusammen arbeiten um das Kapitel Kohle in Deutschland so schnell wie möglich zu beenden. Nur mit einem schnellen, effektiven und juristisch sauberen Ausstieg aus der Kohleverstromung wird der Klimaschutz erfolgreich sein. Zu diesem Zweck werden wir im Februar, nach dem Bericht der Kohlekommission, einen Entwurf für ein Kohleausstiegsgesetz vorstellen. Diese Woche haben wir schon eine Handreichung an die Mitglieder der Kommission und Umweltverbände versandt (https://tinyurl.com/y8p8cffe). Außerdem plane ich, die Aktiven im Bereich der Kohlearbeit aus der Anwaltschaft, aus Verbänden und Wissenschaft einzuladen um gemeinsam zu überlegen wie der Kohleausstieg schneller vorangetrieben werden kann.
Auf der Klimakonferenz COP24 in Katowice war ich dieses Jahr schon als Vertreter von ClientEarth. Neben der Beobachtung der internationalen Verhandlungen habe ich mich mit Vertretern des internationalen Umweltrechts und der climate justice – Bewegung getroffen. Auch die ex-Kolleg*innen vom Wuppertal Institut habe ich dort getroffen und habe das Privileg, mit ihnen zusammen wieder eine Analyse der Klimadiplomatie zu erstellen. Eine erste Kurzanalyse (https://wupperinst.org/a/wi/a/s/ad/4570/) ist gerade erschienen, eine ausführliche Bewertung wird im Januar veröffentlicht.
Ich freue mich sehr, dass ich einige ehrenamtliche Tätigkeiten auch in neuer Rolle weiter ausüben kann. Dazu gehören die immer wieder wunderbare Lehre im Master-Studiengang ‚Global Change Management’ (https://tinyurl.com/yayqnszt) an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde und auch die Mitarbeit im Präsidium des Deutschen Naturschutzrings (DNR) (https://tinyurl.com/ycgt7p68), einem Zusammenschluss von nun neunzig Organisationen mit Anliegen des Umweltschutzes. Ich bin außerdem sehr froh, dass ich die Organisation des von mir initiierten Netzwerks „Zivile Enquete Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ (https://tinyurl.com/yckl7pzx) wie letztes Jahr angekündigt im Rahmen des DNR auf eine verlässliche Basis stellen konnte.
Ich blicke zuversichtlich auf das Neue Jahr 2019, wo ich mit Euch / Ihnen und vielen anderen daran arbeiten kann, unsere schöne Erde „menschenfreundlich“ zu erhalten, wie mein Freund Wolfgang Sachs sagen würde.
Ihr
Hermann Ott