Marrakesch – Klimapolitik im Schwebezustand

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Eine Kurzanalyse zur Beendigung der Klimakonferenz aus Marrakesch:

Gemischte Bilanz von COP22
Nicht viel Fortschritte für die Implementierung des Paris Agreement, viele Regelungen der Umsetzung noch unklar oder verschoben – aber eindeutige rhetorische Signale aller Staaten (und ein paar konkretere Aktionen) dass sie das Abkommen ernst nehmen und sich durch die Wahl Donald Trumps zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten nicht irritieren lassen. Doch befindet sich die internationale Klimapolitik aufgrund der US-Wahl und einigen anderen Gründen wieder in einer Art Schwebezustand – was für viele langjährige Beobachter das ungemütliche Gefühl eines déja vu hervorruft.

Inkrafttreten des Pariser Klimaabkommens kam ‚zu schnell‘
In Paris war vorgesehen worden dass die erste Konferenz der Vertragsparteien zum Paris Agreement (CMA) 2018 stattfinden sollte. Nachdem der Ratifikationsprozess vor allem durch die schnelle Unterschrift von Präsident Obama (vor der Wahl zur Sicherheit) und China (da ein gemeinsames Vorgehen mit den USA verabredet war) eine ungeheure Beschleunigung erfahren hatte, wurden die Vertragsstaaten kalt erwischt und waren nicht richtig vorbereitet. Ein Grund für die insgesamt recht mageren Verhandlungsergebnisse liegt schlicht in dieser Überforderung. Dieser Frühstart wird nun dadurch wieder ausgeglichen, dass diese Klimakonferenz nur unterbrochen und 2017 und 2018 weitergeführt wird.

Nationale Umsetzung des Paris Agreement lässt zu wünschen übrig
Doch es ist – neben dem sehr schnellen Inkrafttreten – auch deutlich geworden, dass die nationale Umsetzung der in Paris beschlossenen Ziele keineswegs automatisch erfolgt. Dies musste Deutschland erfahren, wo die Umweltministerin den Klimaschutzplan 2050 erst im letzten Augenblick mit nach Marrakesch nehmen konnte. Dies machen aber auch die Kohleplanungen in z.B. der Türkei und Indonesien deutlich. Die Nagelprobe aller guten Versprechungen ist die Realisierung…

Einer der größten Streitpunkte die erst zum Schluß gelöst werden konnten ist das Thema Anpassung. Hier geht es u.a. darum, den Adaptation Fund der unter dem Kyoto-Protokoll eingerichtet wurde, in das PA zu überführen. Von Seiten der Industriestaaten wurden hier formale Argumente vorgebracht (wird vom CDM gespeist, den gibt es jedoch nur im Rahmen des Kyoto Protokolls), die aber nicht stichhaltig sind (der CDM ist nur eine Form der Finanzierung). Diese Diskussion verhagelte für einige Zeit die Stimmung auf Seiten der ärmeren Staaten. Die Behandlung des Finanzierungsthemas (auch längerfristig) ist kein Ruhmesblatt der Industriestaaten. Auch soweit es die Leitlinien für die Nationally Determined Contributions (NDC) betrifft steht noch viel aus. Hier wird es auf die Verhandlungen in Bonn nächstes Jahr ankommen. Gleiches gilt in Bezug auf den Transparency Mechanism zur Überprüfung der zugesagten NDCs – keine Einigung aber ein Prozeß ist auf den Weg gebracht.

Charakter der Verhandlungen nähert sich dem einer Showveranstaltung
Die jährlichen Konferenzen werden mit hohem Aufwand inszeniert und mutieren immer mehr zu einer Mischung zwischen Länderschaulaufen und Handelsmesse. Das bringt Probleme für die Organisatoren (die Konferenzen sind zu groß und können von kleineren Staaten nicht mehr organisiert werden), führt aber auch zu einer Ablenkung von den inhaltlich notwendigen Verhandlungen. Das hat schon konsequenterweise zu der (ernst gemeinten) Forderung geführt, die Diplomaten in die Nebenräume zu verbannen und den „Umsetzern“ die großen Hallen zu überlassen: Die Minister sollten keine „großen Reden“ schwingen sondern sich hinsetzen und zuhören. Es ist aber in der Tat nicht einzusehen, warum jede Klimakonferenz notwendigerweise ein Ministersegment haben muss (bzw. noch schlimmer, ein Segment für die Staats- und Regierungschefs…). Es sollte also in Zukunft wieder die ganz normalen Arbeits-COPs geben und alle paar Jahre sog. „Klimagipfel“ für wichtige Entscheidungen.

Das Paris Agreement muss zu einer Plattform für Klima-Allianzen werden
Die Ergebnisse der US-Wahl haben noch einmal deutlich gemacht, dass der auf Konsens basierende Prozess der Klimaverhandlungen prekär ist. Die Wahl von Donald Trump kann unabhängig von der Tatsache ob das Paris Agreement gekündigt wird oder nicht dazu führen, dass die Verhandlungen extrem belastet werden – auch im Falle einer Kündigung des PA wären die USA noch bis zum 4. November 2020 ein Vertragsstaat. Falls Trump die FCCC kündigt und die Mitgliedschaft innerhalb eines Jahres erlischt ist der Schaden größer (weil es für die USA wegen des Erfordernisses einer 2/3-Mehrheit im Senat praktisch politisch kaum möglich ist wieder beizutreten), aber dann ist die Sache wenigstens klar.

Es wird deshalb darauf ankommen, das Paris Agreement als Plattform für eine Vielzahl an Initiativen auszubauen die auf mehr oder weniger rechtlicher Basis eine Dekarbonisierung anstreben. In Marrakesch ist eine Reihe von Allianzen gegründet worden die in die richtige Richtung gehen: Das Climate Vulnerable Forum, eine Gruppe von über vierzig sehr verwundbaren Staaten, hat die „Marrakech Vision“ beschlossen (einen schnellen und vollständigen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen) und die „2050 pathways platform“ zielt auf eine Dekarboniseriungsstrategie bis 2050. Es wird in den nächsten zwei Jahren bis 2018 zu klären sein ob das Pariser Klimaabkommen auch als Basis für eine Vorreitergruppe von Klimapionieren taugt.

Denn notwendig ist ein unabhängiger zweiter Pfad auf jeden Fall: Im Konsens lässt sich keine sozial-ökologische Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft erreichen – es wird immer Staaten geben die sich einer effektiven Lösung widersetzen.

Ich habe zusammen mit dem Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) in einer Studie erarbeitet, wie die Strategie für eine Pionierallianz von Vorreiterstaaten für Klimaschutz aussehen könnte. Sie entstand in Zusammenarbeit mit zehn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus zehn Ländern, allesamt mögliche Mitglieder eines solchen Klimaclubs:
https://hermann-e-ott.de/cms/wp-content/uploads/2016/11/PACA_paper_2016_WI-1.pdf

Climate Alliances after Trump

The Wuppertal Institute has conducted a study on behalf of the German BMZ with the German Development Institute (DIE) on how to design a strategy for a faster track in international climate policy. It was prepared jointly with ten researchers from ten countries, all of them potential members of faster climate clubs.

Das Wuppertal Institut hat (zusammen mit dem Deutschen Institut für Entwicklungspolitik DIE) für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) in einer Studie erarbeitet, wie die Strategie für eine Pionierallianz von Vorreiterstaaten für Klimaschutz aussehen könnte. Sie entstand in Zusammenarbeit mit zehn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus zehn Ländern, allesamt mögliche Mitglieder eines solchen Klimaclubs.

The study / Die Studie (PDF)…

Eine neues Friedensprojekt für die EU

Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau

Die Entscheidung der Briten für den Austritt aus der Europäischen Union hat den verbreiteten Glauben erschüttert dass „sich am Ende schon alles fügen werde“, dass der geschichtliche Zug – zumindest in Europa! – unbeirrt in Richtung Offenheit und Toleranz fährt – dass, platt gesagt, am Ende schon ‚das Gute‘ siegen werde. Irrtum. Der Kampf für die richtige Politik muss immer wieder von Neuem aufgenommen und geführt werden.

Phoenix from the Ashes

Bildschirmfoto 2016-03-01 um 18.17.15An analysis of the Paris Agreement to the United Nations Framework Convention on climate change

By Wolfgang Obergassel (né Sterk), Christof Arens, Lukas Hermwille, Nico Kreibich, Florian Mersmann, Hermann E. Ott and Hanna Wang-Helmreich

Wuppertal, 22 January 2016

Vorschau auf 2016 – Paris, Postwachstum und andere Projekte

wmDSC_7932Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freundinnen und Freunde,

ich wünsche allen ein wunderbares Neues Jahr 2016! Möge es den Beginn eines Prozesses markieren, der die Welt sozialer, ökologischer und damit auch friedlicher macht.

Zum Jahresbeginn habe ich meine Projekte und Pläne in Bezug auf die Klimapolitik (u.a. zum „Paris Agreement“), die Postwachstumsdebatte, Religion und Nachhaltigkeit und anderes in dem anliegenden Schreiben zusammengefasst.

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